GINKO - Details
Zielstellung
Das folgende Video zeigt die Zielstellung des Projektes in Deutscher Gebärdensprache (DGS):
In den letzten Jahren gab es für behinderte und schwerbehinderte Menschen verschiedene Aktivitäten zur (Re-)Integration in Arbeit. Dies gilt insbesondere auch für schwerhörige, ertaubte und gehörlose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Durch das Sozialgesetzbuch SGB IX sind rechtliche Grundlagen verändert und weiter verbessert worden. Informationen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber stehen zur Verfügung. Aber:
- Kommen diese Informationen bei den betroffenen Menschen an?
- Wirkt sich das SGB IX positiv auf den (Arbeits-)Alltag hörbehinderter Menschen aus – besonders auf dem ersten Arbeitsmarkt?
- Fördern oder hemmen unterstützende Maßnahmen die Eigeninitiative schwerhöriger, ertaubter und gehörloser Menschen?
- Welchen Einfluss haben Schule, Ausbildung, Studium und Weiterbildung auf den beruflichen Erfolg?
- Welche neuen oder anderen Unterstützungen sind wichtig in einer sich stark wandelnden technologiebestimmten Informationsgesellschaft?
- Wie funktioniert die Kommunikation am Arbeitsplatz?
Der Projekttitel GINKO spiegelt das gemeinsame Interesse des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB), des Deutschen Gehörlosenbundes (DGB), des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Forschungsstelle zur Rehabilitation von Menschen mit kommunikativer Behinderung (FST) wider, erstmals eine bundesweite Mitgliederbefragung durch die beiden Behindertenverbände und die Datenauswertung durch die FST durchzuführen.
GINKO will Änderungsbedarf feststellen und Lösungsmöglichkeiten durch Beispiele guter Praxis aufzeigen.
Zielgruppen - Ausgangslagen und Hintergründe
Das folgende Video beschreibt die Zielgruppe des Projektes in Deutscher Gebärdensprache (DGS):
- Die Statistik der schwerbehinderten Menschen 2003 (Statistisches Bundesamt 2005) weist in der Kategorie "Sprach- oder Sprechstörungen, Taubheit, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen" 126.592 registrierte Schwerbehinderte zwischen 15 und 65 Jahren aus.
- Noch immer fehlen für Deutschland differenzierte Daten für einzelne Zielgruppen.
- In Deutschland geht man von ca. 16 Millionen Menschen mit Hörstörungen aus [103. Dt. Ärztetag 2000].
- Jeder vierte Jugendliche ist schwerhörig [103. Dt. Ärztetag 2000]. In den letzten Jahren stieg die Zahl von Gehörschäden bei Kindern und Jugendlichen.
- Die Fördergemeinschaft für Gutes Hören (1997) ermittelte im Rahmen einer repräsentativen Untersuchung, dass jeder dritte Erwachsene ab 18 Jahren bereits eine Hörstörung hat.
- Eine europäische Studie zeigt: 16% aller erwachsenen Europäer - also 10 Millionen Deutsche - haben einen Hörverlust von mehr als 25 Dezibel. Das sind deutlich mehr Personen als bislang angenommen (Shield 2006).
- 4% der Mitteleuropäer entwickeln vor dem 45. Lebensjahr eine Schwerhörigkeit bis zur Gehörlosigkeit.
Das Projekt GINKO soll dazu beitragen, mehr zu wissen, mehr Fakten und Zusammenhänge durch Antworten Betroffener in einer Mitgliederbefragung beider Verbände zu bekommen.
Viele Aspekte sprechen für eine systematische datenbasierte Analyse der Wechselbeziehung zwischen der Schwerhörigkeit, Gehörlosigkeit oder Ertaubung einer Person und weiteren personenbezogenen Faktoren sowie Umweltfaktoren im Zusammenhang von Beruf und Arbeit.
Vorgehensweise - Empirische Rechtswirkungsforschung
Das folgende Video beschreibt die Vorgehensweise im Projekt GINKO in Deutscher Gebärdensprache (DGS):
Mit dem SGB IX ist ein Meilenstein im deutschen Sozialrecht zur Verbesserung der rechtlichen Grundlage behinderter Menschen in Deutschland erreicht worden. Von höchster Priorität muss deshalb die Frage sein: Kann das SGB IX so umgesetzt werden und wird es so umgesetzt, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt oder gibt es Hürden, die die Umsetzung der Gesetze bremsen?
Beispiele guter Praxis (wie die in der Datenbank REHADAT dokumentierten Fälle) beschränken sich in den meisten Fällen jedoch auf den Einsatz von Technologien. Eine nebensächliche Rolle spielen interaktive Faktoren wie die Förderung der schriftsprachlichen Kommunikation, oder auch arbeitsorganisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Stress. Betriebliche Kommunikations-, Interaktions- und Organisationsstrukturen wurden bisher wenig beachtet.
So haben bspw. schwerhörige, ertaubte und gehörlose Menschen das Recht auf Hilfen zur Verständigung mit der Umwelt (SGB IX, § 57 Förderung der Verständigung). Angemessene Kosten für den Einsatz von Schriftdolmetschern, Gebärdensprachdolmetschern und andere technische und nicht technische Kommunikationshilfen müssen durch Behörden oder den zuständigen Rehabilitationsträger übernommen werden (SGB IX, § 9 Wunsch und Wahlrecht der Leistungsberechtigten und § 10 Koordinierung der Leistungen).
Diese Aspekte sind konkrete Ausgestaltungen des SGB IX, § 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben und in der Gesellschaft. Zielsetzung ist, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen zu fördern. Im Mittelpunkt stehen dabei die tatsächlich bestehenden Teilhabe-Probleme (SGB IX, § 2 Behinderung).
Inhaltliche Vorgaben in § 4 SGB IX für Leistungen zur Teilhabe (…"die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern"…) bilden einen weiteren Ausgangspunkt der Überlegungen und Maßnahmen im Projekt GINKO.
Auch die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen durch die Bundesrepublik Deutschland (01.01.2009, BGBl. II 2008 Nr. 35 Artikel 27) wird die Teilhabe von Menschen mit Hörbehinderung nachhaltig beeinflussen.
Die Rechtswirkung von SGB IX ist von besonderer Bedeutung.
Sozial- und bildungspolitisch Handelnden, den Industrie- und Handelskammern, Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie den Selbsthilfeverbänden sollen datenbasierte aktuelle Informationen und Kriterien an die Hand gegeben werden, um zukunftsorientiert und zielgerichtet für die einzelnen Betroffenen und die Solidargemeinschaft Entscheidungen treffen zu können.
Praktisches Vorgehen
Das folgende Video beschreibt das praktische Vorgehen der Stufe I in Deutscher Gebärdensprache (DGS):
Stufe I:
- Entwicklung eines standardisierten Fragebogens in Absprache mit DSB und DGB, welcher auch online (in Schrift und Deutscher Gebärdensprache) verfügbar und zu beantworten ist.
- Befragung von Mitgliedern des DSB und DGB
zu den Arbeitsbedingungen und zu den Leistungen zur Teilhabe per Post oder im Internet, unterstützt durch Gebärdensprachfilme. - Statistische Datenanalyse, ggf. Erarbeitung von Profilen und Clustern (d.h. gruppenspezifischen Unterschieden).
- Auswertung und Publikation der Ergebnisse.
- Erstellung eines auf Daten und Fakten basierenden wissenschaftlich gestützten Abschlussberichtes, der Arbeitsbedingungen, Arbeitssituationen und Arbeitsmotivation
ebenso wie Kommunikations- und Organisationsbarrieren aufzeigt und sozialpolitisch relevante Empfehlungen zur Umsetzung des SGB IX enthält.
Das folgende Video beschreibt das praktische Vorgehen der Stufe II in Deutscher Gebärdensprache (DGS):
Stufe II:
- Auswahl geeigneter Personen und Arbeitssituationen (z.B. Kleinbetriebe, hohe intrinsische Motivation, genaue Kenntnisse des SGB IX)
- Qualitative Interviews mit betroffenen Menschen, die im Arbeitsprozess stehen, zu der Arbeits- und Beschäftigungssituation, der Inanspruchnahme von Hilfsmitteln, den Initiativen der betroffenen Menschen.
- Rückkoppelung der Ergebnisse mit dem DSB und dem DGB und dem BMAS.
- Barrierefreie Aufbereitung der erhobenen Informationen, d.h. textoptimiert Sprache, Einbeziehung grafischer Elemente sowie Einsatz von Gebärdensprache als Wahlangebot.
- Cross-Media-Publishing für bereits existierende Informationsplattformen für Arbeitgeber zur Beschäftigung von schwerhörigen, gehörlosen und ertaubten Arbeitnehmern.
Theoretischer Bezug
Das theoretische Bezugssystem des Projekts GINKO ist das Klassifikationsschema der ICF*: Die Abbildung zeigt Wechselwirkungen von fördernden und hemmenden Faktoren für die Teilhabe am Arbeitsleben bei Schwerhörigkeit, Gehörlosigkeit oder Ertaubung.
Kooperationspartner
Deutscher Gehörlosenbund e.V. (DGB)
Deutscher Schwerhörigenbund e.V. (DSB)
Projektförderung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)